Die Stadt Köln arbeitet mit dem kommunalen Vorkaufsrecht

Sie verwaltet die erworbenen Grundstücke nicht selbst

ASG & Vorkaufsrecht: Wenn die Stadt Köln "dazwischengrätscht"

Stellen Sie sich vor, Sie haben nach langen Verhandlungen endlich einen Käufer für Ihre Immobilie in Köln gefunden. Der Preis stimmt, die Chemie passt, und der Notarvertrag ist unterschrieben. Die Sektkorken knallen aber noch nicht, denn plötzlich meldet sich die Stadt Köln und erklärt, dass sie in den Kaufvertrag eintreten wird – zu exakt denselben Konditionen. Dieses Szenario, bekannt als die Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts, ist für viele Verkäufer ein Schock und der Beginn einer Phase großer Unsicherheit. Besonders in den begehrten Kölner Stadtteilen wie Ehrenfeld, Kalk oder Mülheim, die unter einer sozialen Erhaltungssatzung stehen, nutzt die Stadt dieses Instrument aktiv, um städtebauliche Ziele durchzusetzen und bezahlbaren Wohnraum zu sichern. Dieser Leitfaden erklärt detailliert den Ablauf, die rechtlichen Hintergründe und wie Sie als Verkäufer oder Käufer den Prozess strategisch steuern können, um monatelange Hürden zu vermeiden.

Die rechtliche Grundlage: Was ist das kommunale Vorkaufsrecht?

Das kommunale Vorkaufsrecht ist kein willkürlicher Akt, sondern ein im Baugesetzbuch (BauGB) verankertes Instrument zur Sicherung der Stadtplanung. Die zentralen Vorschriften finden sich in den §§ 24 bis 28 BauGB. Es verleiht der Gemeinde das Recht, bei einem Grundstücksverkauf anstelle des ursprünglichen Käufers in den Kaufvertrag einzutreten. Dieses Recht dient ausschließlich dem "Wohl der Allgemeinheit" (§ 24 Abs. 3 BauGB). Die Stadt verfolgt damit keine wirtschaftlichen Eigeninteressen, sondern übergeordnete Ziele wie die Schaffung von Wohnraum, die Sicherung von Flächen für öffentliche Einrichtungen (Schulen, Kitas, Grünanlagen) oder die Verhinderung von Bodenspekulation. Man unterscheidet grundsätzlich zwei Arten: das allgemeine Vorkaufsrecht (§ 24 BauGB), das kraft Gesetzes in bestimmten Gebieten gilt, und das besondere Vorkaufsrecht (§ 25 BauGB), das die Gemeinde durch eine eigene Satzung für spezifische Gebiete begründen kann, in denen sie städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht.

Die Kölner Praxis: Wo und warum die Stadt ihr Vorkaufsrecht nutzt

Nachdem die Stadt Köln dieses Instrument seit 1995 nicht mehr angewendet hatte, beschloss der Rat im Mai 2017 die Wiedereinführung. Seitdem prüft das zuständige Amt für Liegenschaften, Vermessung und Kataster bei Tausenden von Grundstücksverkäufen pro Jahr, ob ein Vorkaufsrecht besteht. Das Recht greift nicht pauschal, sondern nur in gesetzlich definierten Fällen. Gemäß § 24 BauGB sind dies vor allem Grundstücke, die in einem Bebauungsplan für öffentliche Zwecke ausgewiesen sind, in einem förmlich festgelegten Sanierungs- oder städtebaulichen Entwicklungsbereich liegen oder sich im Geltungsbereich einer sozialen Erhaltungssatzung befinden. Letztere sind in Köln zum entscheidenden Anwendungsfall geworden, um die Verdrängung der angestammten Wohnbevölkerung zu bekämpfen.

Hotspots des Vorkaufsrechts: Soziale Erhaltungssatzungen in Köln

Eine soziale Erhaltungssatzung, oft auch "Milieuschutzsatzung" genannt, ist ein städtebauliches Werkzeug nach § 172 BauGB. Ihr Ziel ist es, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in einem Quartier zu erhalten und sie vor Verdrängung durch luxusorientierte Modernisierungen zu schützen. In Köln gibt es mehrere solcher Gebiete, darunter "Ehrenfeld Ost", "Kalk Mitte", "Mülheim Süd-West" und das "Severinsviertel". Innerhalb dieser Zonen stehen bestimmte bauliche Veränderungen wie Rückbau, aufwertende Modernisierungen oder die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen unter einem Genehmigungsvorbehalt der Stadt. Das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ist das schärfste Schwert zur Durchsetzung dieser Ziele. Es soll verhindern, dass Immobilien an Investoren verkauft werden, deren Geschäftsmodell auf Aufwertung und anschließende teure Neuvermietung oder Verkauf abzielt.

Der Verkaufsprozess unter Beobachtung: Schritt für Schritt erklärt

Wenn Ihre Immobilie in einem Gebiet mit Vorkaufsrecht liegt, läuft der Verkaufsprozess nach einem festen Schema ab, das für Verkäufer und Käufer eine Geduldsprobe sein kann.

Schritt 1: Der notarielle Kaufvertrag

Sie einigen sich mit einem Käufer und beurkunden den Kaufvertrag bei einem Notar. Dieser Vertrag ist rechtsgültig, steht aber unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Stadt Köln ihr Vorkaufsrecht nicht ausübt. Der Abschluss dieses Vertrags ist der "Vorkaufsfall", der das gesamte Verfahren erst in Gang setzt.

Schritt 2: Die Mitteilungspflicht des Notars

Unmittelbar nach der Beurkundung ist der Notar gesetzlich verpflichtet, eine Kopie des Kaufvertrags an das Amt für Liegenschaften, Vermessung und Kataster der Stadt Köln zu übermitteln. Mit Eingang der vollständigen Unterlagen bei der Stadt beginnt die entscheidende Frist.

Schritt 3: Die dreimonatige Prüfungsfrist

Die Stadt hat nun drei Monate Zeit (§ 28 Abs. 2 BauGB, seit 2021, davor zwei Monate), um zu prüfen, ob ein Vorkaufsrecht besteht und ob sie es ausüben will. In dieser Zeit herrscht für Käufer und Verkäufer Ungewissheit. Der Käufer kann nicht als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen werden, und der Verkäufer weiß nicht, wer am Ende sein Vertragspartner sein wird.

Schritt 4: Die Entscheidung der Stadt

Am Ende der Prüfungsfrist teilt die Stadt ihre Entscheidung mit. Es gibt zwei grundlegende Möglichkeiten: den Verzicht oder die Ausübung. Verzichtet die Stadt, stellt sie ein sogenanntes Negativzeugnis (auch Negativattest) aus. Dieses Dokument ist zwingend erforderlich, damit der Notar die Eigentumsumschreibung im Grundbuch beantragen kann. Übt die Stadt ihr Vorkaufsrecht aus, erlässt sie einen Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer. Damit tritt die Stadt Köln (oder ein von ihr benannter Dritter) an die Stelle des ursprünglichen Käufers in den Vertrag ein – und zwar zu exakt den gleichen, im Notarvertrag vereinbarten Konditionen, einschließlich des Kaufpreises.

Die Rolle von Dritten: Wenn nicht die Stadt selbst kauft

Die Stadt Köln muss die erworbenen Grundstücke nicht selbst verwalten. Das Baugesetzbuch erlaubt in § 27a ausdrücklich, das Vorkaufsrecht zugunsten eines Dritten auszuüben. Dieser Dritte muss in der Lage und bereit sein, das Grundstück entsprechend den städtebaulichen Zielen der Gemeinde zu nutzen. In der Praxis sind dies oft städtische Wohnungsbaugesellschaften wie die GAG Immobilien AG, Kölns größtes Wohnungsunternehmen, an dem die Stadt beteiligt ist. Es können aber auch andere gemeinwohlorientierte Träger sein, zum Beispiel kirchliche Siedlungsgesellschaften wie die Antoniter Siedlungsgesellschaft (ASG), sofern sie sich verpflichten, die sozialen Ziele der Stadt, wie die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum, umzusetzen. Die im Titel der Anfrage genannte "ASG" ist die Antoniter Siedlungsgesellschaft, eine Tochter der Evangelischen Kirche, und nicht, wie man vermuten könnte, eine städtische Gesellschaft. Die Stadt kann jedoch auch für solche Träger ihr Vorkaufsrecht ausüben, um ihre wohnungspolitischen Ziele zu erreichen.

Der Experten-Kniff: Die Abwendungsvereinbarung als Ausweg

Für Käufer, die eine Immobilie in einem Milieuschutzgebiet erwerben wollen, gibt es einen Weg, die Ausübung des Vorkaufsrechts zu verhindern: die Abwendungsvereinbarung. Gemäß § 27 BauGB kann der Käufer das Vorkaufsrecht abwenden, wenn er sich verpflichtet, das Grundstück im Sinne der städtebaulichen Ziele zu nutzen. Dies geschieht durch den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags mit der Stadt Köln. In diesem Vertrag verpflichtet sich der Käufer typischerweise dazu, auf bestimmte Maßnahmen zu verzichten, die den Zielen der sozialen Erhaltungssatzung widersprechen. Dazu gehören das Verbot von Luxusmodernisierungen, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen oder die Zusammenlegung kleinerer Wohnungen zu großen, teuren Einheiten. Im Gegenzug verzichtet die Stadt auf die Ausübung ihres Vorkaufsrechts und erteilt das für den Grundbucheintrag notwendige Negativzeugnis. Dieser Weg bietet dem Käufer Rechtssicherheit, schränkt aber seine wirtschaftliche Verwertbarkeit der Immobilie ein.

Die juristische Dimension: Das BVerwG-Urteil von 2021 und seine Folgen

Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 9. November 2021 (Az. 4 C 1.20) hat die Praxis des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten erheblich erschüttert. Zuvor hatten viele Kommunen ihr Vorkaufsrecht damit begründet, dass aufgrund eines hohen Kaufpreises die Gefahr bestehe, der neue Eigentümer werde künftig luxussanieren, um seine Investition zu refinanzieren. Das BVerwG entschied jedoch, dass für den Ausschluss des Vorkaufsrechts nach § 26 Nr. 4 BauGB allein der Ist-Zustand der Immobilie zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung maßgeblich ist. Solange das Gebäude den Zielen der Erhaltungssatzung entspricht und keine gravierenden Mängel aufweist, ist das Vorkaufsrecht ausgeschlossen. Die bloße Annahme über zukünftige Absichten des Käufers reicht nicht mehr aus. Dieses Urteil hat das Vorkaufsrecht als präventives Instrument gegen Gentrifizierung stark geschwächt und führte zu Forderungen aus Politik und von Städtetagen nach einer Gesetzesänderung, um die alte, prognosebasierte Praxis wieder zu ermöglichen. Aktuell (Stand Ende 2025) kann die Stadt Köln ihr Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten daher nur noch in eng begrenzten Fällen ausüben, etwa bei bereits bestehenden Missständen oder erheblichem Leerstand.

Die Kosten des Verfahrens: Was auf Verkäufer und Käufer zukommt

Das Vorkaufsrechtsverfahren ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch mit Kosten verbunden, die in der Allgemeinen Verwaltungsgebührensatzung der Stadt Köln geregelt sind. Für die Ausstellung eines einfachen Negativzeugnisses, wenn kein Vorkaufsrecht besteht, fällt eine Gebühr an. Deutlich teurer wird es, wenn ein Vorkaufsrecht zwar besteht, aber durch eine Abwendungsvereinbarung abgewendet wird. Die Gebühren für den Abschluss einer solchen Vereinbarung sind erheblich höher. Mit Stand Ende 2025 beträgt die Gebühr für ein Negativattest 218 Euro. Bei Abschluss einer Abwendungsvereinbarung ohne besonderen Aufwand fallen 938 Euro an, bei besonderem Aufwand kann ein Zuschlag von 479 Euro hinzukommen. Diese Kosten trägt in der Regel der Käufer.

Praktische Tipps für Verkäufer: So navigieren Sie sicher durch den Prozess

Als Verkäufer sind Sie dem Verfahren nicht hilflos ausgeliefert. Eine strategische Vorbereitung kann den Prozess erheblich beschleunigen und Risiken minimieren.

1. Frühzeitige Prüfung und Transparenz

Klären Sie vor dem Verkaufsstart, ob Ihre Immobilie in einem Gebiet mit Vorkaufsrecht liegt. Die Stadt Köln bietet eine Online-Karte an, auf der die Geltungsbereiche der sozialen Erhaltungssatzungen einsehbar sind. Informieren Sie potenzielle Käufer von Anfang an transparent über das mögliche Vorkaufsrecht. Dies schafft Vertrauen und vermeidet, dass Interessenten später abspringen.

2. Offenlegungspflicht und Haftungsrisiken

Als Verkäufer haben Sie eine Offenbarungspflicht bezüglich aller wesentlichen Umstände, die den Wert der Immobilie beeinflussen. Ein bestehendes Vorkaufsrecht gehört dazu. Verschweigen Sie dieses, und der Käufer erleidet durch die Ausübung des Vorkaufsrechts einen Schaden (z.B. vergebliche Notar- oder Finanzierungskosten), können Sie schadensersatzpflichtig werden. Dokumentieren Sie Ihre Aufklärung im Kaufvertrag.

3. Den richtigen Käufer auswählen

Suchen Sie gezielt nach Käufern, die bereit sind, eine Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen. Käufer, die die Immobilie selbst nutzen oder langfristig als Kapitalanlage ohne maximale Renditeabsicht halten wollen, sind oft eher dazu bereit als renditegetriebene Investoren. Ein Käufer, der von vornherein seine Bereitschaft signalisiert, mit der Stadt zu kooperieren, erhöht die Transaktionssicherheit erheblich.

4. Den Notar als Partner nutzen

Ein erfahrener Kölner Notar kennt die Prozesse und die zuständigen Stellen bei der Stadtverwaltung. Er kann den Antrag auf Erteilung des Negativzeugnisses optimal vorbereiten und den Prozess aktiv begleiten. Bitten Sie den Notar, den Antrag unverzüglich und vollständig einzureichen, um die Dreimonatsfrist sofort in Gang zu setzen.

5. Regelungen im Kaufvertrag treffen

Lassen Sie im Kaufvertrag klare Regelungen für den Fall der Vorkaufsrechtsausübung treffen. Üblich ist ein Rücktrittsrecht für den Käufer, falls die Stadt ihr Recht ausübt. Regeln Sie auch, wer die bis dahin angefallenen Kosten trägt. Dies schafft für beide Seiten Rechtssicherheit und verhindert spätere Streitigkeiten.

Fazit: Ein steuerbares Risiko

Das kommunale Vorkaufsrecht der Stadt Köln ist ein mächtiges, aber kein unberechenbares Instrument. Für Verkäufer bedeutet es zwar eine zusätzliche Phase der Unsicherheit, doch mit der richtigen Vorbereitung, offener Kommunikation und einer klugen Käuferauswahl lässt sich das Risiko eines geplatzten Verkaufs minimieren. Die Abwendungsvereinbarung bietet einen klaren Weg, um die Interessen von Käufern und der Stadt in Einklang zu bringen. Das BVerwG-Urteil von 2021 hat die Spielregeln zwar verändert und die Ausübung des Vorkaufsrechts erschwert, doch das Instrument bleibt in den Köpfen der Marktteilnehmer präsent. Wer den Prozess und die rechtlichen Rahmenbedingungen versteht, kann seine Immobilie auch in den Kölner Milieuschutzgebieten erfolgreich und ohne böse Überraschungen verkaufen.

Die Perspektive des Käufers: Zwischen Traum und Trauma

Während der Verkäufer zumindest den vereinbarten Kaufpreis erhält, egal von wem, befindet sich der ursprüngliche Käufer in einer weitaus prekäreren Lage. Hat er nach monatelanger Suche endlich seine Traumimmobilie gefunden, den Kaufvertrag unterschrieben und vielleicht schon die Finanzierung bei der Bank unter Dach und Fach gebracht, beginnt eine dreimonatige Zitterpartie. In dieser Zeit sitzt der Käufer "auf heißen Kohlen", da ihn jederzeit die Nachricht erreichen kann, dass die Stadt Köln ihr Vorkaufsrecht ausübt und sein Traum platzt. Besonders problematisch ist dies bei der Finanzierung: Banken halten Kreditzusagen oft nur für einen begrenzten Zeitraum aufrecht. Verzögert sich der Eigentumsübergang durch das Prüfverfahren, kann die Finanzierungszusage auslaufen, was den Käufer im schlimmsten Fall vor erhebliche Probleme stellt, sollte er die Immobilie doch noch erwerben können. Übt die Stadt ihr Recht aus, bleibt der Käufer auf den bis dahin entstandenen Kosten sitzen, es sei denn, im Notarvertrag wurden spezielle Regelungen für diesen Fall getroffen.

Die Abwendungsvereinbarung im Detail: Ein Pakt mit der Stadt

Die Abwendungsvereinbarung ist das zentrale Instrument für Käufer, um die Ausübung des Vorkaufsrechts zu verhindern. Es handelt sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen dem Käufer und der Stadt Köln. Darin verpflichtet sich der Käufer, die Ziele der sozialen Erhaltungssatzung zu achten. Typische Klauseln umfassen den Verzicht auf die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen (Aufteilungsverbot), das Unterlassen von Luxusmodernisierungen, die über den zeitgemäßen Standard hinausgehen, und die Einhaltung von Mietobergrenzen bei Neuvermietung. Im Gegenzug erklärt die Stadt den Verzicht auf ihr Vorkaufsrecht. Die Gebühr für den Abschluss einer solchen Vereinbarung ist in Köln deutlich höher als für ein einfaches Negativzeugnis und lag Ende 2025 bei 938 Euro zuzüglich möglicher Zuschläge. Für den Käufer bedeutet dies eine erhebliche Einschränkung der wirtschaftlichen Verwertbarkeit, sichert aber den Erwerb der Immobilie.

Rechtsprechung im Wandel: Neue Urteile und ihre Auswirkungen

Die rechtliche Landschaft des Vorkaufsrechts ist in ständiger Bewegung. Zwei wegweisende Urteile des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) haben die Praxis maßgeblich beeinflusst. Das Urteil vom 9. November 2021 (Az. 4 C 1.20) schränkte das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten drastisch ein. Das Gericht entschied, dass die bloße Befürchtung, ein Käufer könnte zukünftig aufwertende Maßnahmen planen, nicht für die Ausübung des Rechts ausreicht. Maßgeblich sei allein der tatsächliche Zustand der Immobilie zum Zeitpunkt der Entscheidung. Ist das Gebäude intakt und wird es entsprechend den Zielen der Satzung genutzt, ist das Vorkaufsrecht ausgeschlossen.

Dies hat die präventive Anwendung des Instruments zur Verhinderung von Gentrifizierung erheblich erschwert und führte dazu, dass viele in der Vergangenheit abgeschlossene Abwendungsvereinbarungen rechtlich fragwürdig wurden. Einige Käufer haben daraufhin versucht, diese Verträge wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 60 VwVfG) zu kündigen, da sie die Vereinbarung nur unter der (falschen) Annahme eines bestehenden Vorkaufsrechts geschlossen hatten. Ein weiteres, sehr aktuelles Urteil vom 17. Juni 2025 (Az. 4 C 3.24 und 4 C 4.24) befasste sich mit sogenannten "Share Deals". Hierbei werden nicht die Immobilien selbst, sondern Anteile an der besitzenden Gesellschaft verkauft, um das Vorkaufsrecht zu umgehen. Das BVerwG urteilte, dass auch bei gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen, bei denen Verkäufer- und Käufergesellschaften wirtschaftlich von derselben Person kontrolliert werden, ein Vorkaufsfall vorliegt, da es sich um rechtlich selbstständige Träger handelt. Dieses Urteil schließt eine wichtige Lücke und stärkt das Vorkaufsrecht der Kommunen gegen Umgehungsstrategien.

Wenn der Kaufpreis den Verkehrswert übersteigt: Das Preislimitierungsrecht

Eine weitverbreitete Sorge unter Verkäufern ist, dass die Stadt den Kaufpreis drücken könnte. Grundsätzlich tritt die Gemeinde zu den im Kaufvertrag vereinbarten Konditionen ein. Das Baugesetzbuch (§ 28 Abs. 3 BauGB) sieht jedoch eine wichtige Ausnahme vor: Wenn der vereinbarte Kaufpreis den Verkehrswert der Immobilie "in einer dem Verkäufer erkennbaren Weise deutlich überschreitet", kann die Gemeinde den zu zahlenden Betrag auf den Verkehrswert begrenzen. In einem solchen Fall ist der Verkäufer jedoch nicht gezwungen, zu einem niedrigeren Preis an die Stadt zu verkaufen. Das Gesetz räumt ihm ausdrücklich das Recht ein, vom gesamten Kaufvertrag zurückzutreten. Dieses Preislimitierungsrecht dient dem Schutz der öffentlichen Hand vor überzogenen, spekulativen Preisen, stellt aber sicher, dass der Verkäufer nicht zu einem Verkauf unter Wert gezwungen wird.

Fälle, in denen die Stadt nicht "dazwischengrätschen" darf: Die gesetzlichen Ausschlüsse

Das Vorkaufsrecht der Gemeinde ist nicht allmächtig. Das Baugesetzbuch (§ 26 BauGB) definiert klare Ausnahmefälle, in denen die Stadt ihr Recht nicht ausüben darf. Der wichtigste Ausschlussgrund ist der Verkauf an nahe Familienangehörige. Dazu zählen Ehegatten, eingetragene Lebenspartner sowie Personen, die mit dem Eigentümer in gerader Linie verwandt oder verschwägert sind (z.B. Kinder, Eltern, Enkel) oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad (z.B. Geschwister, Nichten, Neffen). In diesen Fällen hat der private Verkauf Vorrang. Ebenfalls ausgeschlossen ist das Vorkaufsrecht beim Verkauf von Rechten nach dem Wohnungseigentumsgesetz (also einzelnen Eigentumswohnungen) und von Erbbaurechten (§ 24 Abs. 2 BauGB). Ein weiterer wichtiger Ausschlussgrund (§ 26 Nr. 4 BauGB) liegt vor, wenn das Grundstück bereits entsprechend den Zielen der städtebaulichen Maßnahme (z.B. der Erhaltungssatzung) bebaut ist und genutzt wird und keine Missstände aufweist – dies war die zentrale Aussage des BVerwG-Urteils von 2021.

Sonderfall Denkmalschutz: Ein weiteres Vorkaufsrecht mit eigenen Regeln

Neben dem Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch gibt es in Nordrhein-Westfalen ein separates Vorkaufsrecht nach § 31 des Denkmalschutzgesetzes (DSchG NRW). Dieses steht der Gemeinde bei Grundstücken zu, auf oder in denen sich eingetragene Baudenkmäler oder Bodendenkmäler befinden. Die Ausübung dieses Rechts ist jedoch mit erheblichem administrativem Aufwand verbunden, da insbesondere Bodendenkmäler oft nicht öffentlich verzeichnet sind. Um diesen Aufwand für die Verwaltung und Notare zu vermeiden, hat die Stadt Köln mit einer Allgemeinverfügung vom 12. Dezember 2022 bis auf Widerruf generell auf die Ausübung dieses Vorkaufsrechts nach dem DSchG NRW verzichtet. Diese Verfügung ersetzt für Verkäufer und Käufer das sonst notwendige Negativattest. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass dieser Verzicht jederzeit widerrufen werden kann und das Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch davon unberührt bleibt.

Rechtsschutz und Vorgehen bei unrechtmäßiger Ausübung

Fühlen sich Verkäufer oder Käufer durch die Ausübung des Vorkaufsrechts in ihren Rechten verletzt, können sie dagegen juristisch vorgehen. Die Ausübung erfolgt durch einen Verwaltungsakt, gegen den Widerspruch und anschließend eine Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden kann. Ansatzpunkte für eine Klage können formelle Fehler sein, wie die Nichteinhaltung der Dreimonatsfrist oder eine fehlerhafte Anhörung. Materiell kann gerügt werden, dass die Voraussetzungen für das Vorkaufsrecht nicht vorlagen (z.B. weil ein Ausschlussgrund nach § 26 BauGB greift) oder die Ausübung nicht dem Wohl der Allgemeinheit dient. Wie ein Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg (Az. 8 K 938/22) zeigt, ist es unzulässig, wenn eine Gemeinde erst nach Abschluss des Kaufvertrags die rechtlichen Grundlagen (z.B. eine Vorkaufssatzung) schafft, um sich ein Recht zu sichern. Solche nachträglichen Manöver verstoßen gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Eine frühzeitige anwaltliche Beratung ist in solchen Fällen unerlässlich.

Ausblick: Die politische Debatte und zukünftige Entwicklungen

Das kommunale Vorkaufsrecht bleibt ein politisch heiß diskutiertes Thema. Während Städte und Mieterinitiativen nach dem BVerwG-Urteil von 2021 eine Schwächung des Mieterschutzes beklagen und eine Gesetzesreform fordern, um die präventive Wirkung wiederherzustellen, sehen Immobilieneigentümer und Investoren darin eine Stärkung der Rechtssicherheit. Die Ampel-Koalition auf Bundesebene hat im Koalitionsvertrag angekündigt, den gesetzgeberischen Handlungsbedarf zu prüfen. Es ist daher wahrscheinlich, dass das Baugesetzbuch in den kommenden Jahren erneut angepasst wird, um die Regeln für das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten zu präzisieren. Für Verkäufer und Käufer in Köln bedeutet dies, dass sie die rechtlichen und politischen Entwicklungen weiterhin genau beobachten müssen, da sich die Spielregeln für den Immobilienmarkt jederzeit wieder ändern können.

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