Die Deutzer Hafen-Welle: Preisdruck in Humboldt-Gremberg & Poll

Ungeplante Nebenwirkung einer Areal Aufwertung

Die Strahlkraft eines Megaprojekts und seine Wellen

Während die Augen der Kölner Stadtentwicklung auf das Prestigeprojekt Deutzer Hafen gerichtet sind, entfaltet sich eine ebenso bedeutsame, aber subtilere Dynamik in dessen unmittelbarer Nachbarschaft. Das ehemalige Industrieareal, das sich zu einem der modernsten Stadtquartiere Europas wandeln soll, wirft einen langen Schatten – oder vielmehr ein helles Licht – auf die angrenzenden Stadtteile. Insbesondere die traditionell als "einfache" oder "mittlere" Lagen eingestuften Veedel Humboldt-Gremberg und Poll geraten in den Sog dieser Transformation.

Die zentrale Frage, die sich Investoren, Eigentümer und Bewohner stellen, lautet: Erleben wir eine "Deutzer Hafen-Welle", die die Immobilienpreise in der "zweiten Reihe" überproportional antreibt und eine tiefgreifende Gentrifizierung einleitet? Dieser Bericht analysiert die Mechanismen hinter diesem Phänomen, beleuchtet die Preisentwicklung bis Ende 2025 und wagt eine Prognose für die Zukunft dieser aufstrebenden rechtsrheinischen Gebiete.

Das Projekt Deutzer Hafen: Ein urbaner Leuchtturm entsteht

Um die Auswirkungen auf die Umgebung zu verstehen, muss man die Dimension des Deutzer Hafen-Projekts begreifen. Auf einer Fläche von rund 38 Hektar, davon etwa 8 Hektar Wasserfläche, entsteht ein neues Stück Köln. Die von der Entwicklungsgesellschaft "moderne stadt" vorangetriebene Planung, basierend auf dem Entwurf des renommierten dänischen Architekturbüros COBE Kopenhagen, sieht die Schaffung von circa 3.000 neuen Wohnungen für rund 6.900 Bewohner sowie Flächen für etwa 6.000 Arbeitsplätze vor. Das Konzept zielt auf eine lebendige Mischung aus Wohnen, Büros, Dienstleistungsgewerbe, kulturellen Einrichtungen, Gastronomie und Einzelhandel ab.

Ein wesentliches Merkmal ist der hohe Anspruch an Nachhaltigkeit, der dem Projekt bereits ein Vorzertifikat in Platin von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) eingebracht hat. Geplant sind zudem eine Grundschule, mehrere Kitas, großzügige öffentliche Frei- und Erholungsräume, Parks und eine Promenade entlang des Hafenbeckens. Die Fertigstellung ist ein langfristiger Prozess, der sich bis über das Jahr 2030 erstrecken wird, wobei erste bauliche Umsetzungen ab 2028 möglich sind. Dieses Vorhaben ist nicht nur eine städtebauliche Maßnahme, sondern ein starker Impulsgeber, der die Wahrnehmung und den Wert des gesamten rechtsrheinischen Kölns neu definieren wird.

Humboldt-Gremberg und Poll: Die Nachbarn im Wandel

Humboldt-Gremberg, Teil des Stadtbezirks Kalk, und das südlich an Deutz angrenzende Poll waren lange Zeit für vergleichsweise günstigen Wohnraum bekannt. Humboldt-Gremberg ist geprägt von einer Mischung aus Nachkriegsbauten, einigen Altbauten und Gewerbegebieten. Die Nähe zu Verkehrsadern wie der Autobahn A4 und diversen Bahntrassen führt zu einem starken Lärmgefälle, das die Wohnqualität und die Preise innerhalb des Viertels stark differenziert.



Poll profitiert von seiner Lage am Rhein mit den Poller Wiesen, einem beliebten Naherholungsgebiet, leidet aber teilweise unter der Verkehrslast der Siegburger Straße. Beide Stadtteile galten als solide, aber wenig glamouröse Wohnorte. Ihre direkte geografische Nähe zum Planungsgebiet des Deutzer Hafens rückt sie nun jedoch unweigerlich in den Fokus. Sie bilden die Peripherie eines neuen, hochpreisigen Zentrums und werden damit selbst zum Ziel von Aufwertungsprozessen.



Preisanalyse 2025: Die Welle wird messbar

Die Preisentwicklung in Humboldt-Gremberg und Poll bis Ende 2025 bestätigt die These einer beginnenden Aufwertungswelle. Während der gesamtstädtische Immobilienmarkt nach einer Phase der Korrektur wieder moderate Zuwächse verzeichnet, zeigen sich in den direkten Nachbarlagen des Deutzer Hafens teils überproportionale Steigerungen. Verschiedene Marktanalysen für das Jahr 2025 belegen diesen Trend. Für Wohnungen in Humboldt-Gremberg wird ein durchschnittlicher Kaufpreis von rund 4.570 bis 4.600 Euro pro Quadratmeter ausgewiesen, was einer Steigerung von bis zu 13,6 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Andere Quellen nennen eine Preisentwicklung von +9,64 % für Wohnungen im Jahresvergleich. Auch wenn sich die genauen Zahlen je nach Datenquelle leicht unterscheiden, ist die Tendenz eindeutig positiv und dynamischer als in vielen anderen Kölner Stadtteilen.

Immonet verzeichnet für 2025 eine Preissteigerung von 6,6 %. Bei Häusern in Humboldt-Gremberg liegt der Zuwachs bei etwa 5 %. In Poll ist die Entwicklung ähnlich, wenn auch etwas moderater. Die Wohnungspreise liegen hier bei durchschnittlich 3.623 Euro pro Quadratmeter, während Häuser mit rund 4.939 Euro pro Quadratmeter gehandelt werden. Der entscheidende Punkt ist der sich verringernde Preisabstand zum Premium-Stadtteil Deutz, wo Wohnungen bereits bei durchschnittlich 5.400 bis 5.500 Euro pro Quadratmeter liegen und in Spitzenlagen am Rheinboulevard Preise von über 10.000 Euro erzielen. Diese "Rent-Gap", die Differenz zwischen dem aktuellen und dem potenziell erzielbaren Wert, ist der Motor für Investitionen und die nun sichtbare Gentrifizierung.

Aufwertungspotenzial & "Rent-Gap" Analyse

Humboldt-Gremberg & Poll im Schatten des Deutzer Hafens (Ende 2025)

Wachstums-Radar (ETW Preissteigerung p.a.)

+13,6% Humboldt-Gremberg (Spitzenwert) +9,6% Humboldt-Gremberg (Marktschnitt) +6,6% Immonet Index +2-3% Köln (Schnitt)

Das Preisgefälle (ETW €/m²)

Deutz (Bestand) ~ 5.450 €
Humboldt-Gremberg ~ 4.585 €
Poll ~ 3.623 €
Analyse-Fazit:
Die "Rent-Gap" zu Deutz schließt sich rapide. Humboldt-Gremberg fungiert als direkter Überlaufmarkt für das Deutzer Hafenquartier.

Der Experten-Kniff: Bodenrichtwerte als Seismograf der Erwartung

Ein genauerer Blick auf die Bodenrichtwerte, die vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte in der Stadt Köln jährlich zum Stichtag 01.01. ermittelt werden, offenbart eine komplexere Situation. Der Bodenrichtwert ist der durchschnittliche Lagewert des Bodens für eine Zone mit ähnlichen Merkmalen und wird in Euro pro Quadratmeter Grundstücksfläche angegeben. Laut dem offiziellen Grundstücksmarktbericht 2025 sind die Bodenpreisindizes für Bauland in Köln tendenziell gesunken. So sank der Index für Bauland für Ein- und Zweifamilienhäuser im rechtsrheinischen Stadtgebiet um 4 %, der für Geschosswohnungsbau sogar um 5 %. Dies scheint im Widerspruch zu den steigenden Immobilienkaufpreisen zu stehen. Die Erklärung liegt in der Natur der Bodenrichtwerte: Sie sind vergangenheitsbezogen und spiegeln die Transaktionen des Vorjahres wider.

Die aktuellen Kaufpreise hingegen preisen bereits zukünftige Erwartungen ein. Die Strahlkraft des Deutzer Hafens ist eine solche Erwartung. Investoren und Käufer antizipieren, dass die Bodenwerte in den an das Projekt angrenzenden Straßen von Poll und Humboldt-Gremberg in den kommenden Jahren signifikant steigen werden, sobald die Aufwertung des Hafens sichtbar wird. Die Bandbreite der Bodenrichtwerte in Humboldt-Gremberg ist bereits heute enorm und reicht laut Analysen von 240 Euro bis zu 1.590 Euro pro Quadratmeter, was die Heterogenität des Stadtteils widerspiegelt. Ein Vorher-Nachher-Vergleich der offiziellen Werte an den direkten Grenzlinien zum Deutzer Hafen – etwa entlang der Siegburger Straße oder in den westlichen Teilen von Humboldt-Gremberg – wird erst in den Bodenrichtwertkarten der Jahre 2026 bis 2030 die volle Wucht der "Hafen-Welle" dokumentieren. Aktuell ist der Anstieg der Kaufpreise für Bestandsimmobilien der beste Indikator für die spekulative Aufwertung, die dem offiziellen Bodenwert vorauseilt.

"New Build Gentrification": Die unsichtbare Verdrängung

Der Prozess, der sich in Poll und Humboldt-Gremberg abspielt, ist ein Paradebeispiel für das, was in der Stadtforschung als "New Build Gentrification" bezeichnet wird. Im Gegensatz zur klassischen Gentrifizierung, bei der alteingesessene Mieter direkt durch Luxussanierungen verdrängt werden, findet hier zunächst keine direkte Verdrängung statt. Das Projekt Deutzer Hafen entsteht auf einer ehemaligen Industriebrache, also auf unbewohntem Gelände. Die Verdrängungseffekte sind indirekt, aber nicht weniger wirkungsvoll. Die Schaffung eines hochpreisigen, attraktiven Quartiers zieht eine wohlhabende Klientel an. Dies führt unweigerlich zu einer Aufwertung der gesamten Umgebung. Die lokale Infrastruktur passt sich an – es entstehen teurere Cafés, Boutiquen und Dienstleistungsangebote. Die soziale und funktionale Aufwertung der Lage erhöht den Druck auf die angrenzenden Bestandsimmobilien. Für Eigentümer in Poll und Humboldt-Gremberg wird es zunehmend profitabel, ihre Wohnungen zu modernisieren und die Mieten anzuheben oder die Objekte zu verkaufen. Die steigenden Immobilienpreise und Mieten in der Nachbarschaft führen dazu, dass einkommensschwächere Haushalte sich das Wohnen dort nicht mehr leisten können und wegziehen müssen. Dieser Effekt ist umso stärker, je größer das Neubauprojekt ist – und der Deutzer Hafen ist eines der größten in Köln. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Gentrifizierung in den rechtsrheinischen Stadtteilen Deutz und Mülheim haben bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass dieser Mechanismus in Köln aktiv ist.

Analyse der Mikro-Lagen: Wo die Welle am stärksten bricht

Innerhalb von Humboldt-Gremberg und Poll wird die Aufwertung nicht gleichmäßig verlaufen. Eine genaue Analyse der Mikro-Lagen ist entscheidend. In Humboldt-Gremberg lassen sich grob zwei Zonen unterscheiden. Die ruhigen Quartierskerne, die weiter von den Lärmquellen der Bahn und Autobahn entfernt liegen, werden am stärksten profitieren. Hier sind bereits heute die höchsten Preise des Viertels zu finden. Die "Ruheprämie" ist ein entscheidender Wertfaktor. Die Randlagen, die direkt an den Güterverkehrsstrecken oder der Autobahn liegen, werden eine langsamere Preisentwicklung sehen. Hier ist ein Lärm-Disagio von 10-15 % realistisch. Dennoch wird die exzellente Anbindung an den ÖPNV (S-Bahn-Haltestelle Trimbornstraße) diesen Nachteil teilweise kompensieren und auch diese Lagen für Investoren attraktiv machen, die auf Mietrendite setzen. In Poll sind es vor allem die Lagen, die eine gute Anbindung an die Poller Wiesen und gleichzeitig eine schnelle Erreichbarkeit des neuen Hafenquartiers bieten, die im Wert steigen werden. Die Siegburger Straße, die heute noch eine laute Verkehrsachse ist, könnte durch die geplanten verkehrsberuhigenden Maßnahmen im Zuge der Hafenentwicklung selbst eine Aufwertung erfahren, was die direkt anliegenden Immobilien aufwerten würde.

Chancen für Eigentümer und Investoren

Für Eigentümer von Immobilien in Humboldt-Gremberg und Poll stellt die aktuelle Entwicklung eine erhebliche Chance dar. Der Wert ihrer Immobilien steigt, ohne dass sie selbst aktiv werden müssen. Wer jetzt verkauft, kann von der Antizipation der zukünftigen Aufwertung profitieren. Die Nachfrage ist hoch, insbesondere von jungen Paaren und Kreativen, die sich die linksrheinischen Preise nicht mehr leisten können und eine Alternative mit guter Anbindung suchen. Für Kapitalanleger bieten die Stadtteile ebenfalls ein attraktives Feld. Die Bruttorenditen sind aufgrund der (noch) vergleichsweise niedrigen Kaufpreise mit 4 % bis 5,5 % attraktiv. Investoren setzen hier weniger auf kurzfristige Mietpreisspitzen, die durch die Mietpreisbremse ohnehin gedeckelt sind, sondern auf die langfristige Wertsteigerung des gesamten Standorts. Die Umnutzung ehemaliger Gewerbeflächen und die kleinteilige Nachverdichtung bieten zusätzliches Potenzial. Insbesondere kleine Reihen- und Stadthäuser in ruhigen Innenhöfen sind eine Rarität und werden voraussichtlich die stärksten Wertzuwächse verzeichnen.

Soziale Folgen und politische Steuerung

Die "Deutzer Hafen-Welle" hat jedoch auch eine Kehrseite. Die Gentrifizierung führt zur Verdrängung einkommensschwächerer Bevölkerungsschichten und verschärft die soziale Spaltung der Stadt, die in Köln ohnehin schon stark ausgeprägt ist. Die Stadt Köln versucht, diesem Prozess entgegenzuwirken. Im Deutzer Hafen selbst ist ein Anteil von 30 % öffentlich gefördertem Wohnraum vorgesehen. Auch bei anderen Großprojekten wie Köln-Kreuzfeld oder Rondorf Nord-West wird auf eine soziale Mischung geachtet. Das "Kooperative Baulandmodell", das bei Neubauprojekten einen Anteil an Sozialwohnungen vorschreibt, ist ein weiteres Instrument. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist jedoch umstritten, da sie oft nur punktuell greifen und die indirekten Aufwertungseffekte auf die Nachbarschaft nicht verhindern können. Die steigenden Mieten in Humboldt-Gremberg (durchschnittlich 12,55 €/m² im dritten Quartal 2025) und Poll sind ein klares Indiz für den zunehmenden Druck auf den Wohnungsmarkt. Die Herausforderung für die Stadtpolitik wird darin bestehen, die positiven Effekte der Stadtentwicklung – wie die Schaffung von Wohnraum und die Aufwertung von Quartieren – mit dem Schutz bezahlbaren Wohnraums in Einklang zu bringen.

Fazit und Ausblick: Navigieren in der Aufwertungswelle

Die Entwicklung des Deutzer Hafens ist mehr als nur ein Bauprojekt; sie ist ein Katalysator, der die Immobilienlandschaft im rechtsrheinischen Köln nachhaltig verändert. Die Stadtteile Humboldt-Gremberg und Poll sind die ersten, die die Wellen dieser Transformation spüren. Die Immobilienpreise steigen bereits jetzt überproportional, angetrieben von der Erwartung einer massiven Aufwertung durch die Nähe zum neuen Premium-Quartier. Eigentümer und Investoren, die die Mikro-Lagen und die Mechanismen der "New Build Gentrification" verstehen, können von diesem Trend erheblich profitieren. Gleichzeitig stellt diese Entwicklung die Stadt vor die große soziale Herausforderung, die Verdrängung angestammter Bewohner zu verhindern und die soziale Vielfalt der Veedel zu erhalten. Die "Deutzer Hafen-Welle" ist somit ein zweischneidiges Schwert: Sie bringt wirtschaftliche Chancen und städtebauliche Aufwertung, birgt aber auch das Risiko einer weiteren sozialen Segregation. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie gut es Köln gelingt, diesen Prozess zu steuern und die Balance zwischen Wachstum und sozialer Gerechtigkeit zu finden.

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