Das Erbbaurecht-Beben in Köln

Ihr Handlungsplan, wenn der Vertrag 2025/2026 ausläuft

Einleitung: Die tickende Uhr – Warum viele Kölner Hausbesitzer unruhig werden

In den beschaulichen Straßen von Köln-Lindenthal, in den gewachsenen Siedlungen von Stammheim oder den grünen Ecken von Höhenhaus macht sich eine stille, aber tiefgreifende Sorge breit. Sie betrifft tausende Hausbesitzer, deren Familien oft seit Generationen in ihren Häusern leben. Der Grund ist ein juristisches Konstrukt aus der Nachkriegszeit, das nun sein Verfallsdatum erreicht: das Erbbaurecht. Viele der in den 1950er-Jahren auf 75 Jahre geschlossenen Verträge laufen in den Jahren 2025 und 2026 aus. Was einst als Segen galt, wird nun zur Quelle existenzieller Unsicherheit. Die Frage, die viele umtreibt, ist drängend: Was passiert mit unserem Haus, unserem Zuhause, wenn der Vertrag endet? Droht der Verlust des über Jahrzehnte erarbeiteten Eigentums?

Um diese Unsicherheit zu verstehen, ist ein kurzer Blick in die Kölner Stadtgeschichte unerlässlich. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag die Stadt in Trümmern. Der Wiederaufbau war die vordringlichste Aufgabe. Um breiten Bevölkerungsschichten den Traum vom Eigenheim zu ermöglichen, ohne dass diese die damals schon teuren Grundstücke kaufen mussten, wurde das Erbbaurecht zu einem zentralen Instrument der Wohnungspolitik. Die Idee war einfach und genial: Man erwirbt das Recht, auf einem fremden Grundstück ein Haus zu bauen und zu besitzen, und zahlt dafür einen jährlichen Zins, den sogenannten Erbbauzins.

"Das Erbbaurecht war und ist geeignet, Menschen Wohneigentum zu verschaffen, die Volleigentum nicht bezahlen können." I. Lindner, vhw FWS 4/2019

Doch was damals als langfristige Lösung erschien, erweist sich heute als tickende Zeitbombe. Die Verträge enden, und die Konditionen von damals sind Geschichte. Die Grundstückswerte in Köln sind explodiert, und die Erbbaurechtsgeber haben ihre Strategien angepasst. Dieser Artikel ist Ihr umfassender Ratgeber in dieser komplexen Situation.

Analyse: Vertragsende in Köln – Die drei Szenarien

Wenn Ihr Erbbaurechtsvertrag ausläuft, stehen Sie vor einer entscheidenden Weichenstellung. Es gibt im Wesentlichen drei mögliche Szenarien:

Szenario 1: Die Vertragsverlängerung – Wahrscheinlichster Weg

In den meisten Fällen haben weder die Stadt Köln noch das Erzbistum ein Interesse daran, bestehende Wohnverhältnisse aufzulösen. Sie bleiben Eigentümer Ihres Hauses, doch die finanziellen Details ändern sich massiv.

Die größte Hürde: Der neue Erbbauzins

Die Neuberechnung erfolgt auf Basis des aktuellen Bodenrichtwerts. Die Formel ist einfach, das Ergebnis oft schockierend: Aktueller Bodenwert × Neuer Zinssatz = Neuer jährlicher Erbbauzins.

  • Stadt Köln: Nutzt den Zins als Steuerungsinstrument (Standard oft 4 %, reduziert auf 1,5 % bei Sozialbindung).
  • Erzbistum Köln: Orientiert sich am Markt (oft 2,5 % bis 4 %).

Selbst bei moderaten Sätzen kann der Zins in guten Kölner Lagen von wenigen hundert Euro auf 15.000 € bis 20.000 € pro Jahr ansteigen.

Weitere Kosten & Neue Klauseln

Neben Notar- und Grundbuchgebühren (oft mehrere tausend Euro) können neue Pflichten in den Vertrag aufgenommen werden, wie energetische Sanierungspflichten (PV-Anlagen, Dämmstandards) oder verschärfte Instandhaltungsvorgaben.

Szenario 2: Der Heimfall – Rückfall an den Eigentümer

Der Heimfall tritt ein, wenn der Vertrag erlischt und nicht verlängert wird. Das Gebäude geht auf den Grundstückseigentümer über. Wichtig: Sie verlieren Ihr Haus nicht entschädigungslos!

  • Gesetzlicher Anspruch: Mindestens 2/3 des Verkehrswertes (§ 27 ErbbauRG).
  • Kölner Praxis: Sowohl die Stadt Köln als auch das Erzbistum sehen in ihren Mustern oft eine Entschädigung von 80 % des Gebäudewertes vor.

Szenario 3: Der Grundstückskauf – Vom Pächter zum Volleigentümer

Der Kauf beendet das Erbbaurechtsverhältnis endgültig. In Köln ist dies jedoch schwierig:

  • Stadt Köln: Strategisches "Nein". Die Stadt veräußert Grundstücke grundsätzlich nicht mehr, um die Kontrolle über das knappe Gut Boden zu behalten ("Tafelsilber"-Politik).
  • Erzbistum Köln: Chancen sind etwas höher, da Kirchen an rentabler Kapitalanlage interessiert sind, jedoch gilt Boden auch hier als krisensicherste Anlage.

Visualisierung der Szenarien & Marktdaten

Der Zinssprung-Effekt

Vergleich der Berechnungsgrundlage (Historisch vs. 2025)

Basis 1950 Basis 2025 Wertexplosion

Entschädigung bei Heimfall

Verteilung des Gebäudewertes in Köln

80% Auszahlung an Erbbauberechtigte

Die Kosten des Kaufs

Sollten Sie die seltene Gelegenheit zum Kauf erhalten, müssen Sie mit erheblichen Kosten rechnen, die die finanzielle Belastung einer Vertragsverlängerung bei weitem übersteigen:

  • Kaufpreis: Der Preis basiert auf 100 % des aktuellen Bodenrichtwerts. In vielen Kölner Stadtteilen bedeutet dies für ein typisches Einfamilienhausgrundstück schnell einen Kaufpreis im hohen sechs- oder sogar siebenstelligen Bereich.
  • Kaufnebenkosten: Auf den Kaufpreis kommen erhebliche Nebenkosten hinzu:
    • Grunderwerbsteuer: In Nordrhein-Westfalen beträgt diese derzeit 6,5 % des Kaufpreises.
    • Notar- und Grundbuchkosten: Diese belaufen sich auf ca. 1,5 % - 2,0 % des Kaufpreises.

    Insgesamt müssen Sie also mit Nebenkosten von rund 8 % rechnen. Bei einem Kaufpreis von 800.000 € wären das zusätzlich ca. 64.000 €.

  • Finanzierung: Eine solche Summe muss in der Regel über einen Bankkredit finanziert werden. Für Personen, die sich im Rentenalter befinden, kann es eine große Herausforderung sein, von einer Bank eine derart hohe und langfristige Finanzierungszusage zu erhalten.

Die Verhandlungspartner: Die strategischen Ziele von Stadt und Erzbistum

Um erfolgreich zu verhandeln, müssen Sie die Motivation Ihres Gegenübers verstehen. Die Stadt Köln und das Erzbistum Köln agieren aus unterschiedlichen strategischen Überlegungen heraus, was Ihre Verhandlungsposition direkt beeinflusst.

Die Stadt Köln (Amt für Liegenschaften, Vermessung und Kataster)

  • Hauptziel: Langfristige, aktive Steuerung der Stadtentwicklung. Die Stadt sieht Grund und Boden nicht als Ware, sondern als strategische Ressource zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Dazu gehören die Sicherung von Flächen für Schulen, Kitas, Grünflächen und insbesondere für den Geschosswohnungsbau, um der Wohnungsnot und steigenden Mieten entgegenzuwirken.
  • Strategie: Das Erbbaurecht ist das bevorzugte Instrument. Verkäufe sind die absolute Ausnahme. Die Stadt will Grundstücke im Eigentum behalten, um auch für kommende Generationen Handlungsspielraum zu sichern, wie Oberbürgermeisterin Henriette Reker betont.
  • Verhandlungstaktik: Die Stadt wird Ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verlängerung anbieten. Diese wird jedoch an moderne, gemeinwohlorientierte Auflagen geknüpft sein. Der Erbbauzins ist das zentrale Steuerungelement: Wer rein privat und hochpreisig wohnt, zahlt einen hohen Zins (z.B. 4 %). Wer sich verpflichtet, soziale oder ökologische Standards zu erfüllen, wird mit einem niedrigeren Zins (z.B. 1,5 %) belohnt. Die Stadt nutzt den Vertrag, um ihre politischen Ziele (Klimaschutz, Denkmalschutz, sozialer Wohnraum) auf privatem Grund durchzusetzen.
  • Ihre Chance als Verhandlungspartner: Ein reines "Drücken" des Preises wird kaum erfolgreich sein. Ihre beste Strategie ist es, die Logik der Stadt zu verstehen und zu nutzen. Prüfen Sie, ob Sie der Stadt im Gegenzug für einen niedrigeren Zins etwas anbieten können, das ihren Zielen entspricht. Beispiele könnten sein: die Vermietung einer Einliegerwohnung zu einer preisgedämpften Miete, die Umsetzung besonderer energetischer Sanierungsmaßnahmen über den gesetzlichen Standard hinaus oder die Übernahme einer Patenschaft für eine angrenzende öffentliche Grünfläche. Zeigen Sie sich als kooperativer Partner bei der Umsetzung städtischer Ziele.

Das Erzbistum Köln (Generalvikariat, Servicestelle Liegenschaften)

  • Hauptziel: Langfristige Sicherung des Stiftungsvermögens und die Erzielung stetiger, kalkulierbarer Einnahmen zur Finanzierung der vielfältigen kirchlichen und karitativen Aufgaben. Grundbesitz gilt als inflationssichere und ethisch vertretbare Kapitalanlage.
  • Strategie: Das Erbbaurecht ist ein seit Jahrzehnten etabliertes und hochprofessionell gemanagtes Instrument der Vermögensverwaltung. Es existieren standardisierte Musterverträge und klar definierte interne Prozesse für Neubestellungen, Verkäufe und Verlängerungen.
  • Verhandlungstaktik: Die Verhandlungen sind oft stärker standardisiert und weniger politisch motiviert als bei der Stadt. Der Fokus liegt auf einer wirtschaftlich tragfähigen Verlängerung, die eine angemessene Rendite für das Erzbistum sicherstellt. Während soziale Aspekte (z.B. Förderung von Familien mit Kindern) eine Rolle spielen können, ist die finanzielle Komponente zentral. Abweichungen von den Musterverträgen bedürfen einer internen Abstimmung und guter Begründung.
  • Ihre Chance als Verhandlungspartner: Hier ist weniger politische Kreativität gefragt, sondern vielmehr eine gute Vorbereitung und das Verständnis der administrativen Abläufe. Argumentieren Sie auf Basis der bestehenden Regelwerke. Eine saubere Dokumentation, eine klare Darstellung Ihrer Situation und das frühzeitige, respektvolle Einholen von Informationen sind entscheidend. Verweisen Sie auf mögliche soziale Härtegründe (z.B. Renteneintritt, Pflegefall in der Familie), da auch kirchliche Träger einem sozialen Anspruch gerecht werden wollen. Eine anwaltliche Begleitung kann helfen, auf Augenhöhe mit der professionellen Verwaltung des Erzbistums zu verhandeln.

Kritische Erkenntnisse zur Verhandlungsposition

  • Verlängerung ist die Norm: Beide großen Erbbaurechtsgeber in Köln streben in der Regel eine Verlängerung an, nicht den Heimfall.
  • Der Preis der Verlängerung ist hoch: Die Neuberechnung des Erbbauzinses auf Basis heutiger Bodenwerte ist der zentrale Konfliktpunkt und führt zu massiven Kostensteigerungen.
  • Kauf ist unwahrscheinlich: Insbesondere bei der Stadt Köln ist ein Kauf des Grundstücks keine realistische Option.
  • Verhandlungsstrategie anpassen: Gegenüber der Stadt Köln können Sie mit Gemeinwohl-Argumenten punkten. Gegenüber dem Erzbistum zählen eher wirtschaftliche und soziale Härtefall-Argumente innerhalb der standardisierten Prozesse.

Praxis-Leitfaden: Ihr konkreter Handlungsplan in 3 Phasen

Die theoretische Analyse der Szenarien ist die eine Sache, die praktische Umsetzung eine andere. Dieser Leitfaden gibt Ihnen eine konkrete Schritt-für-Schritt-Anleitung und eine vergleichende Übersicht, um den Prozess strukturiert und gut vorbereitet anzugehen.

Szenarien-Überblick: Ihre Optionen auf einen Blick

Szenario Beschreibung & Konsequenzen Finanzieller Aspekt (Köln Beispiel) Nächste Schritte
A: Vertragsverlängerung Vertrag wird fortgesetzt. Sie bleiben Eigentümer des Gebäudes, jährliche Belastung steigt erheblich. Zins 1,5%-4% (z.B. 12.000 € - 32.000 €/Jahr). Angebote einholen, Belastbarkeit prüfen.
B: Heimfall & Entschädigung Grundstück fällt zurück. Gebäude geht in Eigentum des Gebers über. Sie erhalten Ausgleichszahlung. Bei Stadt Köln oft 80% des Gebäudewerts (z.B. 320.000 €). Wertgutachten für Gebäude erstellen lassen.
C: Kauf des Grundstücks Sie erwerben das Grundstück und werden Volleigentümer. Endgültige Lösung. 100% Bodenwert (z.B. 800.000 €) + ca. 8% Nebenkosten. Schriftliches Kaufangebot anfordern.

Schritt-für-Schritt-Handlungsplan

Phase 1: Analyse & Vorbereitung (2-5 Jahre vor Vertragsende)

  1. Schritt 1.1: Vertrag und Unterlagen prüfen: Suchen Sie den originalen Vertrag. Identifizieren Sie Laufzeit, Heimfall-Regeln und Entschädigungshöhe.
  2. Schritt 1.2: Dokumenten-Mappe anlegen: Sammeln Sie Vertrag, Grundbuchauszug, Zinsbescheide und Korrespondenz.

Phase 2: Kontaktaufnahme & Verhandlung (Spätestens 2 Jahre vor Vertragsende)

  1. Schritt 2.1: Zuständige Stelle proaktiv kontaktieren: Rufen Sie den Ansprechpartner an. Signalisieren Sie Handlungsbereitschaft.
  2. Schritt 2.2: Schriftliches Angebot einholen: Bitten Sie schriftlich um ein Angebot für die Zinskonditionen zur Vorlage bei Ihrer Bank.

Phase 3: Entscheidung & Umsetzung (Spätestens 1 Jahr vor Vertragsende)

  1. Schritt 3.1: Angebote bewerten & Finanz-Check: Prüfen Sie die monatliche Belastung und besprechen Sie Ihre Finanzplanung im Alter mit der Bank.
  2. Schritt 3.2: Rechtliche Prüfung & Abschluss: Lassen Sie den neuen Vertrag unbedingt von einem Fachanwalt für Immobilienrecht prüfen.

Wichtige Kontakte & Ressourcen Köln

Stadt Köln (Amt für Liegenschaften)
Willy-Brandt-Platz 2, 50679 Köln
Tel: 0221 / 221-0
E-Mail: liegenschaften@stadt-koeln.de
Erzbistum Köln (Liegenschaften)
Marzellenstr. 51–53, 50668 Köln
Tel: 0221 / 1642-4500
E-Mail: service-liegenschaften@erzbistum-koeln.de

Daten-Check: Marktdaten Köln visualisiert

Zinssprung bei Verlängerung

Beispiel: Grundstückswert-Steigerung von 1955 bis heute

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Übliche Praxis der Stadt Köln bei Vertragsende

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Weihofen Immobilien

Dieser Bericht wurde Ihnen vom Immobilienmakler Weihofen Köln präsntiert.